Um die beiden Seiten des Zölibates besser zu verstehen, lohnt es sich das Sakrament der Weihe und den Zölibat im Gesamtkontext der Heilsordnung, Gottes Plan für das Heil der Menschen, zu sehen. Warum gibt es also überhaupt ein Weihe-Priestertum?
Für eine Antwort müssen wir wissen, dass Gott das Heil, die Glückseligkeit, die gesunde, vollkommene Ganzheit jedes Menschen will. Dies geschieht, indem der Mensch Gott nahe ist und mit ihm in Beziehung tritt. Für dieses Heil-Sein des Menschen sorgt Gott unter anderem, indem er dem Menschen andauernd seine liebende Zuwendung schenkt. Dies nennt die Theologie „Gnade“.
In der Fülle wird diese vollkommene, liebende Beziehung zwar erst im Himmel sein[1]„Da werden wir feiern und schauen, schauen und lieben, lieben und preisen. Ja, so wird es am Ende endlos sein.“ (hl. Augustinus, civ. 22, 30), aber auch schon jetzt in dieser Erdenzeit möchte Gott sein Reich aufbauen, also den Menschen heil(ig)en.
Doch wie macht er das? Durch was schenkt Gott seine liebende Zuwendung, seine Gnade? Dies sind die Sakramente. Sie sind mit den Sinnen erfahrbare Zeichen, Werkzeuge, in denen sich Gott bleibend an irdische Dinge bindet. Durch sie liebt, heilt und wirkt Gott.
Ursakrament, Grundsakrament, Sakramente
Das sogenannte Ursakrament ist Jesus Christus, in dem sich Gott mit der menschlichen Natur verbindet, um dem Menschen unendlich nahe zu sein und seine Liebe zu zeigen.
In der (einen, heiligen, katholischen und apostolischen) Kirche als sogenanntes Grundsakrament bindet sich Gott wiederum an den Menschen, um auch dort durch alle Getauften die Welt heil zu machen.
Zeitlich darauf folgend setzte Gott in dieser Kirche die Sakramente ein. Auch bei ihnen bindet sich Gott an menschliche/irdische Dinge wie Menschen, Wasser, Brot und Wein und will damit dem Heil des Menschen dienen. Besonders schnell leuchtet dies vielleicht in der Krankensalbung und dem Sakrament der Buße und Versöhnung ein, in denen der Mensch wieder aufgerichtet werden soll. Auch in der Eucharistie stärkt Gott den Menschen. Während diese ersten Sakramente vor allem dem bereits Getauften selbst helfen, sind die anderen Standes- und Initiationssakramente – die Taufe, die Firmung, die Ehe und die Weihe – immer auch im Blick auf die anderen Menschen geschaffen. Zwar erfährt der Getaufte, der Gefirmte, der Ehepartner und der Geweihte auch selbst die liebende Zuwendung und die Bestärkung Gottes, aber diese Menschen sollen nun vor allem für anderen Menschen das Heil Gottes wirken. Sie sollen transparent für Gott sein, damit Gott durch sie liebt, heilt und stärkt. Jeder getaufte Christ ist damit zum allgemeinen Priestertum berufen. Das heißt: Durch ihn möchte Gott das Heil für die Welt wirken – mitten im alltäglichen Leben.
Priestertum des Dienstes
Damit kommen wir zum Priestertum des Dienstes, welches im Katechismus (KKK) unter den Sakramenten „des Dienstes für die Gemeinschaft“ eingeordnet ist. Hier bindet sich Gott an bestimmte Menschen, um durch sie – zusätzlich zum allgemeinen Priestertum – vor allem die Kirche zu heil(ig)en und zu lieben – ja, durch diese Menschen in besonderer Weise präsent zu sein. Dies setzt jedoch voraus, dass der Mensch, der sich hier in den Dienst nehmen lässt, möglichst transparent für Gott ist. Wie lässt sich eine möglichst große Transparenz herstellen?
Indem diese von Gott berufenen Menschen möglichst wie Christus sind und ihm gleichförmig werden. Dies geschieht vor allem (vgl. KKK 768 / LG 5) durch Liebe, Demut und Selbstverleugnung – durch vollkommene Hingabe (die bei Jesus Christus bis ans Kreuz ging). Eine Konkretisierung dieser vollkommenen Hingabe ist die Lebensform des Zölibates. Die vollkommene Hingabe und Liebe des Priesters an Gottes Kirche ist damit sehr ähnlich wie die Liebe und Hingabe der Ehegatten zueinander. Sie ist sogar – ähnlich wie Brot und Wein bei der Eucharistie oder der Ehe-/Liebeswille der Brautleute bei der Trauung – wesentlich für das mit ihr verbundene Sakrament. Zum Unterschied zwischen dem Priestertum des Dienstes und dem allgemeinen Priestertum nun folgend mehr.
Fußnoten
↑1 | „Da werden wir feiern und schauen, schauen und lieben, lieben und preisen. Ja, so wird es am Ende endlos sein.“ (hl. Augustinus, civ. 22, 30 |